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historisches Datum: Tag des Überfalls Russland auf die Ukraine

Leipzig, den 6. März 2022

Der 24. Februar 2022, dem Tag des Überfalls Russland auf die Ukraine, wird sich in das kollektive Gedächtnis Europas ebenso einbrennen, wie das Münchner Abkommen und der Einmarsch der Hitler‘schen Wehrmacht in die Tschechoslowakei am 30. September 1938 bzw. 1. Oktober 1938, der Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 und den Überfall Hitler Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945 ist hinlänglich bekannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Sowjetunion allen Staaten und Völkern ihres Einflussgebietes die Selbstbestimmung und staatliche Unabhängigkeit mit drastischen Mitteln verhindert. Wir erinnern uns u.A. an:

Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der ehemaligen DDR wurde von der Sowjetarmee gewaltsam und blutig niedergeschlagen,

Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes durch Einmarsch in Ungarn am 23. Oktober 1956 unter dem Führer der KPdSU Chruschtschow

Niederschlagung des tschechischen Weges für einen humanitären Sozialismus durch Einmarsch in der CSSR am 21. August 1968 unter dem Parteiführer Breschnew

Erster Tschetschenienkrieg: Einmarsch am 11. Dezember 1994 unter dem Präsidenten der Russischen Föderation Jelzin

Zweiter Tschetschenien Einmarsch am 1. Oktober 1999 unter dem Präsidenten der Russischen Föderation Jelzin

Einmarsch in Georgien (Abchasien und Ossetien) am 8. August 2008 unter dem Präsidenten der Russischen Föderation Medwedew und dem Ministerpräsidenten Putin.

Annexion der Krim 18. März 2018 unter dem Präsidenten der Russischen Föderation Putin

Und nun am 24. Februar 2022 Anerkennung der abtrünnigen Provinzen Luhansk und Donezk mit dem Einmarsch in die Ukraine. Putin reiht sich mit den Einmärschen in die Krim und Ukraine in die geschichtliche Folge seiner Vorgänger in der Führerschaft der Sowjetunion und Russischen Föderation ein.

Mit einem gewaltigen Propagandaaufwand, Lügengebäuden und gesetzlichen Einschränkungen rechtfertigt er diesen Einmarsch. Er sieht sich veranlasst das zu tun, weil die Anderen – der Westen – ihn angeblich dazu herausforderten. Noch einen Tag vor dem Einmarsch hat Putin mit großen Aufwand abgeleugnet, dass er den Befehl gibt, in die Ukraine einzumarschieren.

Bemerkenswerter Weise nach hat die Sowjetunion am 4. Dezember 1959, also 3 Jahre nach dem Einmarsch der Sowjets in Ungarn, der UNO die Skulptur „Schwerter zu Pflugscharen“ geschenkt. Der Spruch „Schwerter zu Pflugscharen“ geht auf verschieden Zitate im Alten Testament (u.A. Mi4,1-4) zurück. Bei WIKIPEDIA kann man in diesem Bezug lesen:

Mit dem Geschenk an die UNO bekräftigte die sowjetische Partei- und Staatsführung ihre damals offiziell erklärte Bereitschaft zur friedlichen Koexistenz mit dem „Klassenfeind“. Sie stellte ihr Land stets als Friedensmacht und dessen Hochrüstung als ausschließlich defensiven Zwecken dienend dar.

Welch ein Widerspruch zu den tatsächlichen Ereignissen!

In der Folge des gegenwärtigen Einmarsches, streng genommen ist es ein aggressiver Krieg, wird viel Leid über die Ukrainer aber auch die russischen Soldaten hereinkommen. Die Bilder, die täglich in den Nachrichtensendungen von Radio, Fernsehen und im Internet zu sehen sind, sind sehr beklemmend. Wir haben nicht gedacht, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal zu solchen absurden Grausamkeiten in Europa kommen kann.

Die zu sehenden Bilder haben mich sehr betroffen gemacht und Erinnerungen an das Ende des Zweiten Weltkrieges wieder in den Vordergrund gerückt. Ich, Jahrgang 1940, kann mich noch sehr gut an die letzten Kriegsmonate erinnern. Wir wohnten damals vor der Vertreibung im Sudetengau im Egerland. Diese Region war damals relativ gering von den Kriegsereignissen betroffen. Obwohl ich damals vor 77 Jahren erst knapp fünf Jahre alt war, sind diese Ereignisse in meinem Gedächtnis unwiderruflich festgehalten. Bei solchen Ereignissen wie dem gegenwärtigen Krieg in der Ukraine und der Flucht tausender Menschen vor den Krieg drängen diese „Speicherungen“ wieder akut in den Vordergrund.

Ich kann mich noch genau an die Bomberverbände, die am 13. Februar abends durch das Egertal nach Dresden flogen, erinnern. Ich habe noch die besorgten Gesichter der Erwachsenen vor mir, die sich fragten, welche Menschen werden die Bomben dieses Angriffs treffen. Wenige Tage später erfolgte die Bombardierung von Chemnitz. Den Feuerschein des brennenden Chemnitz konnten wir am nächtlichen Himmel über dem Erzgebirge sehen. Die Bombardierung von Karlsbad, Schlackenwerth und Brüx am Tag kann ich ebenfalls nicht vergessen. Wir in unserem Ort Pürstein, der etwa 40 km östlich von Karlsbad liegt, haben in unseren Luftschutzkellern noch deutlich die Erschütterungen durch die Bombeneinschläge gespürt.

Und noch etwas bedrückt mich sehr. Wir wurden in der sogenannten wilden Vertreibung im Juli 1945 nach Sachsen vertrieben. Unser Treck bestand fast ausschließlich aus Frauen und Kindern. Das ist gegenwärtig ebenso bei den Flüchtlingen, die vor der Vernichtung durch den Krieg in der Ukraine fliehen und in den westlichen Nachbarländern ankommen. Die Bilder mit den Kindern, die sich ängstlich an Puppen und Teddybären klammern, habe ich auch erlebt. Auch das bedrückt mich außerordentlich. Ich bin da aber nicht der Einzige. Mir haben Personen meiner Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, von ähnlichen Erinnerungen berichtet.

Heute konnte ich in der Zeitung „EXPRESS“ einen Bericht über die „irren Thesen Putins Vordenkers, Dugin“, lesen. Dieser hat ein Buch mit dem Titel „Grundlagen der Geopolitik“ geschrieben, das als Lehrbuch an den Militärschulen Russlands genutzt wird.

Und dann? Hört die Geschichte nicht auf. In seinen Schriften fordert Dugin als nächsten Schritt den Griff nach anderen Staaten des russischen Einflussgebietes: neben der Ukraine die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, aber auch Finnland, Rumänen, Nordmazedonien, Serbien, den serbischen Teil Bosniens und sogar Griechenlands.

Ein weiterer Bericht in der Zeitung „Express“ von heute, in dem die Meinung des Politikwissenschaftlers Johannes Varwick behandelt wird, steht unter dem Titel „Ukraine: Experte schlägt bittere Lösung vor – „zu allem bereit“.“

Sein Lösungsvorschlag: eine Exilregierung der Ukraine auf deutschem Boden. „Ein mögliches Szenario ist, dass Berlin oder Warschau zum Sitz einer ukrainischen Exil­regierung wird, die Ukraine entmilitarisiert wird und eine russland­freundliche Regierung bekommt“, sagt der Experte für Internationale Beziehungen der Universität Halle-Wittenberg.

Er wisse, dass das nicht das Ziel der ukrainischen Regierung sei, auch nicht von Wolodymyr Selenskyj. „Wenn er aber möchte, dass seine Bevölkerung nicht am Ende entweder vertrieben oder tot ist, sehe ich keinen anderen Ausweg.“ Am Ende werde Russland eine neue Regierung einsetzen. „Die Frage ist nur, wie blutig wird der Weg dahin ist.“

Wie lange der Krieg in der Ukraine anhalten wird, das weiß niemand. Der Experte befürchtet eine Eskalationsspirale, etwa, wenn mehr Waffen an die Ukraine geliefert werden. „Der Westen muss sich die Frage stellen, ob er mit seinen Waffen­lieferungen diesen Krieg künstlich verlängern will.“ Er betonte, das sei nicht etwa kaltherzig, sondern vom Ende her gedacht.

Varwick: „Wir müssen verstehen, dass Russland zu allem bereit ist und wir diesen Krieg nur verlieren können, wenn wir keine nukleare Katastrophe wollen.“

Herr Varwick, schauen sie mal in die Geschichte vor dem Zweiten Weltkrieg. Hitler hat damals auch gegenüber den Briten und Franzosen Versprechungen gemacht, die er schon wenig später nicht eingehalten hat. Das mit solchen Ansichten nicht unbedingt eine Lösung dieses Problems erreicht wird, ist auch an den Ansichten von „Putins Vordenker Dukin“ zu sehen.

Man sollte natürlich auch über solche Ansichten wie die des Herrn Varwick diskutieren. Ob das zielführend ist mag bezweifelt werden. Diktatoren werden bekanntlich nie satt.

Mir bleibt nur noch die Bitte „Dona nobis pacem“.

Dr. Karl Placht

Stellv. Vorsitzender Senioren-Union Leipzig